Nach dem Ersten Vatikanischen Konzil 1870 weigerten sich die Professoren der Bonner Katholisch-Theologischen Fakultät mehrheitlich, die neuen Dogmen von der Lehrunfehlbarkeit und der Universaljurisdiktion des Papstes zu akzeptieren. So wurde die Universität Bonn ab 1873 zur Ausbildungsstätte für alt-katholische Theologen. Bernhard Josef Hilgers (1803–1874) lehrte Praktische Theologie, Andreas Menzel (1815–1886) Dogmatik, Franz Heinrich Reusch (1825–1900) Altes Testament und Joseph Langen (1837–1901) Neues Testament. Der Kirchengeschichtler Johann Heinrich Floß (1819–1881) blieb zunächst der einzige Ordinarius, der die Vatikanischen Dogmen anerkannte.
Ab 1880 verschoben sich die Gewichte jedoch zuungunsten der Alt-Katholiken. Die Regierung berief drei römisch-katholische Theologen an die Fakultät, ab 1887 stellte sie zudem Ersatzprofessuren für die noch von Alt-Katholiken besetzten Lehrstühle zur Verfügung; alt-katholische Neubesetzungen gab es nicht mehr. Von Ende der achtziger Jahre an war es daher nicht mehr möglich, ausschließlich bei alt-katholischen Professoren zu studieren.
Trotzdem blieb Bonn selbst für alt-katholische Studenten aus dem Ausland attraktiv; kontinuierlich war auch eine gewisse Zahl orthodoxer Studenten eingeschrieben. Sie ergänzten ihr Studium, indem sie Veranstaltungen bei evangelischen und später im Einzelfall auch bei römisch-katholischen Dozenten belegten. Hinzukam das Lehrangebot des 1887 gegründeten Bischöflichen Konviktes. Faktisch erhielt damit das Studium schon damals jene Struktur und ökumenische Ausrichtung, die auch heute für den alt-katholischen Studiengang charakteristisch ist.
Nachdem 1900 mit Reusch und 1901 mit Langen die letzten alt-katholischen Ordinarien verstorben waren, stellte sich die Frage, wie die akademische Ausbildung alt-katholischer Theologen künftig gesichert werden könne. Sie allein auf das Bischöfliche Konvikt zu beschränken, wäre mit dem wissenschaftsorientierten Theologieverständnis der Alt-Katholiken kaum vereinbar gewesen. 1902 richtete die Regierung an der Philosophischen Fakultät eine „Seminar für philosophische Propädeutik“ ein, das mit einer außerordentlichen Professur und einer Assistentenstelle ausgestattet war und, trotz seines auch politischen Rücksichten geschuldeten Namens, der Ausbildung alt-katholischer Geistlicher dienen sollte. Die Professur wurde mit Leopold Karl Goetz (1868–1931) besetzt, der später allerdings weniger als Theologe, sondern durch seine slawistischen Forschungen bekannt wurde.
Nach Goetz’ Tod musste der Lehrbetrieb am Seminar von Dozenten des Bischöflichen Konviktes aufrechterhalten werden, bis Rudolf Keussen (1887–1944) im Jahr 1939 zunächst eine Lehrstuhlvertretung, dann die Professur übernehmen konnte. Am „Altkatholischen Seminar“, wie es seit 1937 hieß, lehrte er bis zu seinem Tod 1944. 1948 trat Werner Küppers (1905–1980) seine Nachfolge an, zunächst als außerordentlicher Professor, ab 1964 als Wissenschaftlicher Rat und Professor. Das Alt-Katholische Seminar wurde nunmehr aus der Philosophischen Fakultät gelöst und direkt dem Senat, später dem Rektorat unterstellt. 1972 wurde die Professur von Christian Oeyen übernommen (bis 1996), 1998 folgte Günter Eßer (bis 2015), 2015 der jetzige Seminardirektor Andreas Krebs.
Literatur:
Günter Eßer, Matthias Ring (Hg.): Zwischen Freiheit und Gebundenheit. Festschrift zum 100jährigen Bestehen des Alt-Katholischen Seminars der Universität Bonn [GThAK, B1]. Bonn 2002.
August Franzen: Die katholisch-theologische Fakultät der Universität Bonn im Streit um das Erste Vatikanische Konzil. Köln, Wien 1974.
Anne Hensmann-Eßer: „Diener zweier Herren“. Ein Briefwechsel aus dem Nachlass Werner Küppers, in: Alt-Katholische und Ökumenische Theologie 3 (2018), 45–72.